Ausgabe 03/2024
Anmoderation Mechthild Neises-Rudolf
Heft 3/2024 Ärztliche Psychotherapie zum Schwerpunkt „Update Psychodynamische Psychotherapie“
Herausgeberinnen: Dr. med. Katharina Hof, Weimar, Prof. Dr. Dr. med. Mechthild Neises-Rudolf, Leimen, und Dr. med. Irmgard Pfaffinger, München
Die Herausgeberinnen nehmen im Editorial Bezug auf die gesellschaftliche Rezeption der Psychodynamischen Psychotherapie. Filme und Serien führen ein breites Interesse daran vor, aber auch massive Klischees, so werden jedem dazu Filmszenen einfallen wie z. B. in Pretty Women, als Edward Vivian von den Jahren auf der Couch erzählt, bis er sagen konnte, dass er seinen Vater hasst. Die Psychodynamiker:innen sind dabei die Zuhörenden und wenn sie reden, dann geschieht dies aus einer allwissenden Position heraus. Während die Patient:innen auf der Couch liegend darum ringen biografische Zusammenhänge zu verstehen. Demgegenüber werden die Handlungskompetenzen und das aktive Vorgehen den Verhaltenstherapeut:innen zugeschrieben. Diese Ausgabe der Ärztlichen Psychotherapie soll schlaglichtartig die aktuellen Entwicklungen, Evidenzen und Diagnostikmanuale in der Psychodynamischen Psychotherapie zusammenfassen. Es sind, um nur einige Entwicklungen hervorzuheben, die Strukturbezogene Psychotherapie, die Interaktionelle Gruppenpsychotherapie sowie spezial- und körpertherapeutische Ansätze und imaginative Verfahren die zeigen, wie die Psychodynamische Psychotherapie zunehmend als integrativ und wandelbar fortgeführt wird. Die folgenden sieben Beiträge spiegeln diese interessante Entwicklung hinsichtlich neuer Forschungsergebnisse und ihrer praktischen Anwendungsmöglichkeiten.
Den Auftakt machen Christiane Steinert und Falk Leichsenring mit einem Übersichtsartikel zur Evidenz psychodynamischer Verfahren. Gute Belege für die Wirksamkeit finden sich für Erkrankungen des depressiven und somatoformen Formenkreises sowie als moderat bewertete Belege für Angst- und Persönlichkeitsstörungen, dies gilt auch im Vergleich mit anderen therapeutischen Verfahren. Neuerungen der Kriterien für die Evidenzbewertung einer Psychotherapie werden erläutert und die Erstellung einer Evidenzsynthese ausführlich und nachvollziehbar beschrieben.
Die beiden folgenden Beiträge gehen auf die Veränderungen ein, die im Diagnosesystem sowohl mit dem Wechsel der ICD-10 zur ICD-11 anstehen als auch mit dem Erscheinen der dritten Version des Manuals zur Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD-3). Die Vertreter der OPD-Arbeitsgruppe Geron Heuft, Henning Schauenburg, Stephan Doering und Cord Benecke, berichten zu den Neuerungen der OPD-3. Sie stellen die Achsen der OPD zusammenfassend vor und gehen auf die Weiterentwicklungen in deren dritter Version ein. Über die Bedeutsamkeit der OPD für die Persönlichkeitsdiagnostik in der ICD-11 referiert Götz Berberich in seinem Beitrag. Der kategoriale Ansatz weicht hier einem dimensionalen Vorgehen, das an die Objektbeziehungstheorie und die Strukturdiagnostik der OPD anknüpft.
Auf die Psychodynamische Psychotherapie bezieht sich die Netzwerkanalyse von Larissa Vierl und Susanne Hörz-Sagstetter, die die Zusammenhänge der Psychopathologie und der psychodynamischen Konstrukte untersuchen. Hierbei werden therapeutische Kerntargets und Determinanten des Symptomausbruchs beispielhaft herausgearbeitet. In besonders starkem Bezug zur Psychopathologie stellt sich auch in dieser Untersuchung die Persönlichkeitsstruktur und -funktion dar. Dies hat therapieschulenübergreifend relevante Implikationen für die Formulierung der Psychodynamik und die damit einhergehende Fallkonzeption.
Eine Fallkonzeption dient neben der Fokussierung und Strukturierung des psychotherapeutischen Arbeitens auch der Qualitätssicherung im Rahmen der Beantragung von Langzeitpsychotherapien. Ingo Jungclaussen und Klaus Lieberz bieten in ihrem Beitrag einen umfassenden Überblick zur Entstehungsgeschichte und eine Kritik an der Gesetzesintitiave zur Abschaffung des Gutachter:innen-Verfahrens. Sie diskutieren verschiedene Überlegungen, wie ein modifiziertes Qualitätssicherungsverfahren therapieschulenübergreifend oder -spezifisch impliziert und ohne bürokratische Mehrarbeit zum Wohle der Patient:innen eingesetzt werden könnte.
Einen wichtigen Stellenwert in Diagnostik, Behandlungsplanung und Prozessbegleitung nimmt auch die psychometrische Testung ein. Lisa Rebecca Otto und Rebecca Mukowski-Kickhöfel stellen die wichtigsten Empfehlungen auf dem Gebiet der Psychodynamischen Psychotherapie zusammen und bieten somit einen guten Leitfaden für die ambulante und stationäre Praxis.
Klinische Einblicke und Anregungen zum gruppentherapeutischen Arbeiten liefert der Beitrag von Svenja Taubner, Lea Kasper und Sophie Hauschild zur mentalisierungsbasierten Therapie. Das bekannte Verfahren etabliert gruppentherapeutische Settings, von denen drei zur Behandlung von Patient:innen mit chronischem Schmerz, Borderline-Persönlichkeitsstörung und der Eltern-Kind-Interaktions-Störung vorgestellt werden.
Soweit die Beiträge zum Themenschwerpunkt. In der Rubrik »Politik und Praxis« erscheint ein berührender und nachdenklicher Artikel von Kamiar K. Rückert zur Einsamkeit der Psychotherapeut:innen und ihrer Patient:innen und wie dieses Gefühl neben der Selbstreflexion für die therapeutische Arbeit genutzt werden kann. Es folgt die Vorstellung der zweiten Version der S3-Leitlinie „Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten“ von Anna Fleischer, Eva-Maria Skoda, Martin Teufel und Imad Maatouk. Mit »Favas Feder« wird von Giovanni Andrea Fava wieder eine interessante Fallgeschichte vorgestellt, unter dem Titel »Ein ungewöhnlicher Hilferuf«. Caroline Rometsch stellt ihre Perspektive auf internationale Forschung im Bereich der Psychosomatischen Medizin vor.
Wie immer folgen die ausführlichen Mitteilungen aus den Fachgesellschaften: DGPM, VPK und BPM. Diese Verbandsnachrichten wie auch das Editorial sind frei zugänglich unter folgendem Link https://elibrary.klett-cotta.de/journal/aep/19/3
Den Abschluss bilden zwei Buchbesprechungen von Wolf Lütje zu dem Buch Women´s Health and Pandemic Crisis herausgegeben von Vivian Pramataroff-Hamburger und Mechthild Neises-Rudolf. Die zweite Buchbesprechung ist von Markus Glass zum Thema Long Covid und Chronisches Erschöpfungssyndrom lindern von Andrea Brackmann und Katharina Jänicke.
Der Ausblick auf die nächste AeP-Ausgabe 4/2024 fasst das Schwerpunktthema „Klimakrise und Psychosomatik – Heft 2“ zusammen.
Herausgeber:innen und Schriftleitung zusammen mit allen Autor:innen wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und neue Impulse für Ihre klinische Praxis.