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Ausgabe 04/2023

Ausgabe 04/2023 der Zeitschrift „Ärztliche Psychotherapie"
10.11.2023
Bundesverband

Anmoderation M. Neises-Rudolf

Heft 4/2023 Ärztliche Psychotherapie zum Schwerpunkt „Systemische Therapie in Psychosomatik, Psychotherapie und Familienmedizin“
Herausgeber: PD Dr. med. Markus W. Haun, Heidelberg, Prof. Dr. med. Markus Herrmann, Magdeburg, und Dr. med. Irmgard Pfaffinger, München

Die Herausgeberschaft dieses Heftes bündelt das Anliegen, die Systemische Therapie in einem Schwerpunktheft ausführlich darzustellen, dabei ist ihnen der Bezug sowohl zur Psychosomatik und Psychotherapie als auch zur Familienmedizin wichtig. Seit 2019 ist die Systemische Therapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen und damit in den genannten Versorgungsbereichen integriert. Vorausgegangen war die Prüfung der Evidenzlage durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Damit wurde, wie die Herausgeber:innen betonen, erstmals eine methodisch anspruchsvolle Nutzenbewertung für ein Psychotherapieverfahren überhaupt vorgenommen. Inzwischen sind weitere vier Jahre vergangen und damit wird es möglich, mit diesem Schwerpunkt einen aktuellen Überblick über das breite Anwendungsgebiet zu geben.

Das Heft bildet mit insgesamt acht Beiträgen sowie einem thematischen Bezug in der Rubrik „Aus Politik und Praxis“ ein breites Spektrum von Erfahrungen ab. Diese kommen aus unterschiedlichen Behandlungs-Settings sowie Anwendungen in Coaching und Schulung.

Markus W. Haun führt in das Thema ein mit einer Übersicht zu Bedeutung der Diagnostik in der Systemischen Therapie. Dabei wird in der Diagnosestellung eher von den jeweiligen Auswirkungen als von den Ursachen ausgegangen, bspw. mit der Frage: Hat die Diagnose eher entlastende oder eher zusätzlich belastende Wirkung und wie wirkt sich das auf Betroffene und ihr soziales System aus? Neben dem Überblick über die Spezifika systemischer Diagnostik werden die grundlegenden systemtheoretischen Annahmen vorgestellt sowie das Vorgehen in der Praxis.

Andrea Caby und Filip Caby beschreiben anhand von drei Fallbeispielen verschiedene Interventionen auf der Basis einer systemischen Haltung als Einladung zu einem Perspektivwechsel. Sie beschreiben, wie damit sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene innerhalb ihres jeweiligen Kontextes in die Lage versetzt werden, über andere als die bisherigen `krankmachenden´ Lösungen nachzudenken.

Rüdiger Retzlaff beschreibt die Anwendung der systemischen Therapie in der ambulanten Versorgung und beschreibt konkret die Einleitung einer psychotherapeutischen Behandlung mit einer Fallkonzeption. Dazu gehören eine Systemanalyse, eine gemeinsame Problemdefinition und ein Behandlungsplan, der mit den Patient:innen gemeinsam erstellt wird. Der Artikel beschreibt, welche Aspekte bei der Systemanalyse und der gemeinsamen Problemdefinition zu beachten sind.

Markus Herrmann, Vera Kalitzkus und Stefan Wilm gehen auf die Familienmedizin als integralen Teil der Allgemeinmedizin ein. Sie beziehen sich auf Entwicklungen im anglo-amerikanischen Raum und zeigen auf, wie der Gedanke des `Family Approach´ durch eine systemische Perspektive bereichert werden kann. Diskutiert werden die Nahtstellen zwischen Familienmedizin und systemischer Familientherapie und wie eine künftige Primärversorgung systemisch familienmedizinisch gestärkt werden kann.

Torsten Klatt-Braxein diskutiert die Arbeitsbedingungen in der Arztpraxis mit hohem Funktions- und Leistungsdruck. Für das Funktionieren der Praxisabläufe und der Behandlungen auf hohem Niveau müssen Ärzt:innen nicht nur die fachliche Arbeit leisten, sondern auch unterschiedlichste systemrelevante Aspekte einbeziehen. Dabei können systemisches Coaching und systemische Teamentwicklung helfen; der Autor beschreibt, wie Probleme in einfachen Schritten bearbeitet werden können.

Carmen Beilfuß legt schließlich ein engagiertes Plädoyer für eine radikale Fokussierung auf Ressourcen als Kernelement systemischen Arbeitens in der hausärztlichen Praxis vor. Insbesondere das ressourcen- und lösungsorientierte Vorgehen in der Systemischen Therapie in Verbindung mit Einbeziehung der sozialen Systeme der Patient:innen erweisen sich immer wieder als hilfreich. Anregend zu lesen sind die konkreten Methoden für die Praxis, wie z. B. `das Tagebuch der kleinen Fortschritte´ oder `das Glücksrezept´.

Michael Wirsching stellt in seinem Beitrag den Freiburger Familientherapeutischen Arbeitskreis (FFAK) vor, dabei geht er ein auf die Ursprünge im Rahmen der Paar- und Familientherapie mit Beginn der 90er Jahre und die inzwischen dreißigjährige Entwicklung des FFAK als ein Beispiel für die Entwicklung der Systemischen Therapie in Deutschland. Diskutiert wird die Konzeptualisierung und Professionalisierung des FFAK, sowie neuere Vernetzungen des FFAK wie etwa in den Bereich Flucht- und Migrationserfahrung.

Markus W. Haun und Carla Ortmann schließen diesen Schwerpunkt ab und geben in ihrem Beitrag einen Überblick über Wege der ärztlichen Qualifizierung in Systemischer Therapie im Rahmen der Weiter- und Fortbildung, einschließlich des Hinweises auf derzeit etablierte Kursangebote im Bundesgebiet.

In der Rubrik »Politik und Praxis« lädt Markus Herrmann zu einem Blick über den Tellerrand ein und stellt seine Erfahrungen zur Familienmedizin in Brasilien aus den Jahren 2011 und 2023 vor, dort ist Familiengesundheit seit 2001 im Gesundheitssystem verankert. Ein Beitrag von Kamiar K. Rückert bereichert das Heft mit dem Thema „Loben – Die warme Hand auf der angespannten Schulter“. Die Rubrik schließt mit »Favas Feder«, der uns Fallgeschichten vor dem Hintergrund seiner Berufserfahrung und dem praktischen Wissen seines Taxifahrers näherbringt. Katharina Hof stellt ihre Perspektive, diesmal auf den Abschluss der Facharztweiterbildung vor.

Wie immer folgen die ausführlichen Mitteilungen aus den Fachgesellschaften: DGPM, VPK und BPM. Diese Verbandsnachrichten wie auch das Editorial sind frei zugänglich unter folgendem Link: https://elibrary.klett-cotta.de/content/pdf/10.21706/aep-18-4-234.pdf Den Abschluss bilden der Veranstaltungskalender und der Ausblick auf die nächste Ausgabe 1/2024 zum Thema: Depression.

Herausgeber:innen und Schriftleitung zusammen mit allen Autor:innen hoffen auf das Interesse unserer Leser:innen, die systemische Praxis näher kennenzulernen und wünschen Freude beim Lesen.