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Beziehungen in der Krise? – Ein Aufbruch bei den Essstörungen

„Im Rahmen des DGPM/DKPM-Kongresses in Berlin wurde vom 12. bis 14. März breit gefächert die psychosomatische und psychotherapeutische Forschungslage unter dem Leitthema „Beziehungen in der Krise – Aufbrüche“ veranschaulicht.

Besonders erfreulich war für mich aufgrund meiner Tätigkeit im Bereich der Essstörungen, dass dieses oft unterrepräsentierte Thema einen bedeutsamen Stellenwert im Programm erhalten hat.

Gerade bei der Anorexia Nervosa, die häufig mit sozialem Rückzug und Isolation einher geht, wurde in den Vorträgen deutlich, welche entscheidende Rolle zwischenmenschliche Beziehungen für die Aufrechterhaltung der Erkrankung spielen können. Auf der individuellen Ebene können und möchten Betroffene oft nicht mehr aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Der Rückzug aus den zwischenmenschlichen Beziehungen und das Abgrenzen zur Außenwelt trägt zur verstärkten Bindung an die Symptomatik bei und spielen somit eine zentrale Rolle in der Dynamik der Anorexie.

Fortschritte in der Versorgung von Essstörungen

Auf der gesellschaftlichen Ebene wurden jedoch auch positive Entwicklungen in der Versorgungslage aufgezeigt. Beispielsweise kann eine frühzeitige hausärztliche Behandlung dazu beitragen, die Dauer der unbehandelten Anorexie zu verkürzen. Zudem wurde die neue BZgA Klinik-Datenbank vorgestellt, die Betroffenen die Suche nach qualifizierten und tagesklinischen Essstörungsbehandlungen erleichtern und somit die Versorgung weiter verbessern soll.

Dennoch blieben kritische Fragen zu Versorgungslücken und der Einbindung von (digitalen) Beziehungsdynamiken offen. So wurde auf die erschwerte Zugänglichkeit des GLP-1-Medikaments, auch bekannt als die „Abnehmspritze“, hingewiesen oder die mangelnde Berücksichtigung der Selbstmanagement-Apps bei den Behandlungsleitlinien diskutiert.

Die digitale Welt als unterschätzter Faktor in der Therapie

Ein besonders spannender Impuls kam durch den Abendvortrag von Frau Degen, der die Frage aufwarf, ob die Entwicklungen der digitalen Welt mehr in die Therapie einfließen müssen. Denn Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das digitale Beziehungserleben über Plattformen wie Instagram & Co. genauso wichtig sein können, wie persönliche Beziehungen in der realen Welt.

Besonders bei der Anorexie, einer Krankheit, die oft vor dem 25. Lebensjahr beginnt, muss die Rolle der digitalen Welt stärker miteinbezogen werden, da gerade die sozialen Medien stark zur Idealisierung eines dünnen Körpers beitragen.

Wie erreichen wir „Hard to Reach Patients“?

Darüber hinaus wurde die Versorgung nicht nur störungsspezifisch hinterfragt, sondern auch patientenspezifisch beleuchtet. Eine spannende Podiumsdiskussion, organisiert von den Early Career Scientists, setzte sich intensiv mit der Frage auseinander, wie unterrepräsentierte Patientengruppen mit körperlichen, sprachlichen oder sozioökonomischen Barrieren besser in die psychosomatische und psychotherapeutische Versorgung eingebunden werden können.

Fazit: Ein Aufbruch in die richtige Richtung

Der DGPM/DKPM-Kongress hat es geschafft, den Blick sowohl auf individuelle als auch gesellschaftliche Beziehungsebenen in der Behandlung psychosomatischer Störungen zu schärfen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Kongress nicht nur bestehende Herausforderungen beleuchtet, sondern auch hoffnungsvolle Perspektiven für die Zukunft aufgezeigt hat – ein echter Aufbruch in die richtige Richtung.“