Ausgabe 03/2023
Anmoderation M. Neises-Rudolf
Heft 3/2023 Ärztliche Psychotherapie zum Schwerpunkt „Traumafolgestörungen“
Herausgeber: Prof. Dr. med. Johannes Kruse, Gießen und Prof. Dr. med. Volker Köllner, Teltow
Die Herausgeber des Heftes, Johannes Kruse und Volker Köllner, nehmen Bezug auf das erste Schwerpunktheft zu diesem Thema, erschienen 3/2009 in unserer Zeitschrift, und die Entwicklung in diesem Zeitraum von vierzehn Jahren. So wurde mit der ICD-11, die bald auch in deutscher Übersetzung vorliegen wird, die Diagnose der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung neu in die diagnostischen Klassifikationssysteme aufgenommen. Während kritische Stimmen zurecht auf eine inflationäre Nutzung des Trauma-Begriffs verweisen, gehen die Herausgeber davon aus, dass Traumafolgestörungen nach wie vor eher unterdiagnostiziert sind. Im Zentrum dieses Themenheftes steht die Diagnose der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, KPTBS. Zahlreiche Untersuchungen haben bestätigt, dass frühe Traumatisierung dem zugrunde liegen und damit nicht nur ein erheblicher Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Störungen darstellen, sondern auch die Entstehung chronischer körperlicher Erkrankungen begünstigen und deren Verlauf verschlechtern.
Das Heft stellt mit acht Beiträgen ein umfassendes Konzept zur Diagnostik und Therapie des Krankheitsbildes vor, wie auch zu den sozialen Konsequenzen:
Sarah Schroth führt ins Thema ein mit einer Übersicht zu den Neuerungen, die sich mit der Einführung der ICD-11 im Bereich der Traumafolgestörungen ergeben.
Johannes Kruse, Sandra Zara und Hanna Kampling setzen sich mit somatischen Folgen früherer Traumatisierung am Beispiel des Typ-II-Diabetes auseinander. Sie zeigen in ihrem Übersichtsartikel, dass Menschen, die in ihrer Kindheit traumatische Situationen durchleben mussten, ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Typ-II-Diabetes im Erwachsenenalter aufweisen und dass dieser schwerer und komplizierter verläuft als bei Menschen ohne diese belastenden Erfahrungen.
Lorena Brenner, Sarah Schroth und Volker Köllner befassen sich mit den Folgen einer KPTBS bezogen auf die Arbeitswelt. Sie verdeutlichen, dass die mit der KPTBS einhergehenden Störungen der Selbstorganisation zu dysfunktionalen Erlebens- und Verhaltensmustern im beruflichen Kontext führen.
Olaf Reddemann setzt sich mit komplexen Folgen von Psychotraumata in der psychosomatischen Grundversorgung auseinander. Er stellt Wege der Kooperation mit der ambulanten und stationären psychotherapeutischen Versorgung dar.
Wolfgang Wöller stellt ein ressourcenbasiertes psychodynamisches Manual zur ambulanten Behandlung der KPTBS vor. Ein wichtiger Teil der therapeutischen Arbeit besteht in der Stärkung von Ich-Funktionen der Selbst- und Beziehungsregulierung mittels Ressourcen aktivierenden Interventionen.
Ralf Köster, Silvia Köster und Mervyn Schmucker beschreiben einen verhaltenstherapeutischen Zugangsweg zur KPTBS, nämlich die Imaginary Rescripting and Reprocessing Therapy (IRRT), in der durch eine Kombination aus Konfrontationstherapie und Innere-Kind-Arbeit sowohl die klassischen Symptome der PTBS als auch maladaptive Schemata und Bindungsstörungen behandelt werden können.
Stephanie Vock, Günter H. Seidler und Jonas Tesarz stellen in ihrem Beitrag eine Modifikation von EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) vor für die Behandlung chronischer Schmerzen. Angesichts der hohen Komorbidität von chronischen Schmerzen, emotionaler Belastung und psychischen Traumata ist es naheliegend, dass EMDR zu- nehmend in die Schmerztherapie integriert wird.
Harald Schickedanz zeigt rehabilitative Ansätzen für KPTBS-Patient:innen auf, dabei steht im Vordergrund die Frage, wie sich eine Reha-Klinik für diese Patient:innengruppe inklusiv gestalten lässt, sodass diese schwerwiegende Diagnose kein Ausschlusskriterium für eine Rehabilitation mehr darstellen muss.
Die Rubrik »Politik und Praxis« fasst lesenswerte Inhalte zusammen, so erscheint ein Beitrag von Kamiar Rückert, der auf sehr subtile und einfühlsame Weise die Bedeutung und den positiven Effekt von Entschuldigungen im therapeutischen Kontext herausarbeitet. Abgerundet wird dieses Heft wie immer durch die Rubrik »Favas Feder« mit einer interessanten Fallgeschichte und Katharina Hof stellt ihre Perspektive auf das Psychosomatische in der Psychotherapie vor.
Wie immer gibt es die ausführlichen Mitteilungen aus den Fachgesellschaften: DGPM, VPK und BPM. Hingewiesen sei speziell auf das darin publizierte Positionspapier zur psychotherapeutischen Behandlung der Folgen sexuellen Missbrauchs, das bisher sieben Fachgesellschaften unterzeichnet haben. Diese Verbandsnachrichten wie auch das Editorial sind frei zugänglich unter folgendem Link: https://elibrary.klett-cotta.de/journal/aep/18/3
Den Abschluss bilden zwei Buchbesprechungen, eine von Katharina Hof zum Thema „Dimensionen psychotherapeutischen Handelns“ von G. Rudolf und die zweite von Hans-Martin Rothe zum Thema „Buddhistische Basics für Psychotherapeuten“ von U. Anderssen-Reuster und M von Brück, last not least der Veranstaltungskalender und der Ausblick auf die nächste Ausgabe 4/2023 zum Thema: Systemische Therapie in Psychosomatik, Psychotherapie und Familienmedizin.
Herausgeber und Schriftleitung wünschen mit allen Autor:innen unseren Leser:innen eine spannende und ertragreiche Lektüre.